Die Hauptangriffswaffe des Ritters war neben dem Schwert, auch die Lanze. Taktisch gesehen war sie sogar die wichtigere Waffe, denn der erste Angriff erfolgte in der Regel immer mit eingelegter Lanze und konnte so von entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf einer Schlacht sein. Man kann sich sicherlich vorstellen, welche Wirkung so ein Angriff einer voll gerüsteten, hoch zu Ross, mit eingelegter Lanze und mit hoher Geschwindigkeit auf einen zu preschende Reiterformation hatte. Gewöhnlich wurde die Lanze unter die rechte Achselhöhle geklemmt und so geführt, dass die Spitze nach links über den gebeugten Pferdehals wies. Dabei musste der Reiter darauf achten, dass der Winkel zwischen Lanze und Längsachse des Pferdes möglichst klein blieb und er so den von seinem Pferd ausgehenden Schub optimal ausnutzen konnte. Seine eigene linke Seite und die Flanke des Pferdes wurden durch sein Schild geschützt. Nach diesem ersten Angriff wurden die Lanzen fallen oder stecken gelassen und vom Pferd aus, mit dem Schwert weiter gekämpft.
Die Kriegslanze bestand aus einem einfachen, zylindrischen oder sich leicht zur Spitze hin verjüngenden Schaft. Sie hatte etwa eine Länge von 3 Metern und bestand aus zähem Holz wie Esche oder Eibe und war mit einem dolchartigen oder blattförmigen, stets aber zweischneidigen, etwa 15cm langen und etwa 5cm breiten, eisernen Spitze versehen.
Hortus Deliciarum um 1190 |
Ausschnitt aus einer Jerusalemkarte um 1190 – Tempelritter verfolgen Sarazenen |
Ausschnitte aus der Maciejowski Bibel um 1250 |
Die richtige Handhabung der Lanze verlangt sehr viel Training. Beim Buhurt, einem spielerischen Scheingefechtes zwischen zwei Reitergruppen, wurde diese Handhabung und Taktik trainiert. Bei diesem Scheingefecht ritten zum Beispiel zwei Reitergruppen mit eingelegten Lanzen aufeinander zu und kurz vor dem Aufeinandertreffen, wurden die Lanzen gehoben und man ritt, die Reihe öffnend, aneinander vorbei. Daraus Entwickelte sich im 12. Jahrhundert das Turnierwesen und der Tjost, ein Ritterlicher Zweikampf der das Ziel hatte, den Gegner mit Hilfe einer Lanze aus dem Sattel zu werfen. Obwohl man bei diesen Turnieren mit stumpfen Waffen kämpfte, kam es oft zu schweren Verletzungen und zu Todesfällen. Dies kam der Kirche einem versuchten Selbstmord gleich, außerdem würden diese Turniere Eigenschaften wie Hochmut, Hass, Habgier und Eitelkeit fördern. Daher wurden sie im 12.und 13. Jahrhundert immer wieder durch die Kirche verboten und den Teilnehmern mit Exkommunikation und der Verweigerung eines christlichen Begräbnisses gedroht. Allerdings beteiligten sich an solchen Turnieren auch kirchliche Würdenträger. Bei Turnieren verwendete man Lanzen aus leicht splitterndem Nadelholz wie Fichte oder Kiefer, die an ihrer Spitze mit sogenannten Krönlein, stumpfen, kreisförmig angeordneten Zacken, ähnlich einer Krone, versehen waren und so die Wucht des Aufpralles und damit die Verletzungsgefahr verminderten.
Albrecht Marschall von Rapperswil Tjost – Codex Manesse |
Original Turnierlanzenspitze Krönlein von Burg Bommersheim |
beide Bilder: Tjost an der Burgruine Brandenburg bei Lauchröden 2010 |
Text: tf