12. Jahrhundert

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Wiprecht von Groitzsch war um 1100 für den meißnisch-sächsischen Raum eine bedeutende Persönlichkeit. Burg und Grafschaft Groitzsch hatte er als Allodialbesitz, also zu vollem Eigentum. Er unterhielt ein gutes Verhältnis zu Wratislaw von Böhmen und heiratete dessen Tochter Judith, die ihm die Landschaft Milska um Bautzen und den Gau Nisan um Dresden einbrachte. Vom deutschen König erhielt er außerdem die Burgen Leisnig und Colditz und nahm von geistlichen Fürsten größere Güter im thüringischen Raum als Lehen. Um 1105 siedelte Wiprecht mainfränkische Bauern bei Lausick an, die den Wald rodeten und eine Menge neuer Dörfer errichteten.

Siegel Konrads des Großen
Siegel Konrads des Großen, c. 1123

Als 1123 Heinrich II. der Jüngere, Markgraf von Meißen und Lausitz und Graf von Eilenburg, kinderlos starb, wurden die Marken Graf Wiprecht übertragen. Er konnte diesen Herrschaftsanspruch allerdings nicht durchsetzen. Konrad I. von Wettin, der Cousin Heinrich II., beanspruchte die Markgrafschaft Meißen für sich. Er verband sich mit dem Sachsenherzog Lothar von Süpplingenburg, der gegen Kaiser Heinrich V. rebellierte. So gewann Konrad 1123 die Mark Meißen für sich. Die Grafschaft Eilenburg hingegen fiel an den Askanier Albrecht von Ballenstedt, der als Albrecht der Bär in die Geschichte einging. Nach Wiprechts Tod 1124 erhielt Albrecht der Bär auch noch die Mark Lausitz, gab aber Eilenburg an Konrad von Wettin zurück.

Im darauf folgenden Jahr starb Kaiser Heinrich V. kinderlos. Die deutschen Fürsten, angeführt von geistlichen Oberhäuptern, wählten Herzog Lothar von Süpplingenburg als Lothar III. zum König. Konrad hatte auf den richtigen Mann gesetzt. 1135 starb das Haus Groitzsch dann endgültig aus, und die Wettiner erbten große Teile des Groitzscher Besitzes.

Konrad I., bereits Graf von Wettin, Brehna, Eilenburg und Camburg sowie Markgraf von Meißen, erhielt 1136 auch noch die Mark Lausitz und den Gau Nisan. Zu all dem noch gelangte er 1143 in den Besitz der Grafschaften Groitzsch und Rochlitz und wurde Vogt des Reichsklosters Chemnitz. Außerdem wurde er 1148 Vogt des Klosters Gerbstedts und Domvogt von Naumburg. Zusammen mit seinem Bruder Dedo stiftete Konrad 1124 das Augustinerchorherrenstift auf dem Petersberg bei Halle. Eine solche Machtfülle brachte Konrad I. von Wettin den Beinamen „der Große“ ein. Als solcher führt er den berühmten Fürstenzug in Dresden an. Im Jahr 1156 entsagte er der weltlichen Macht, vererbte seine umfangreichen Besitzungen an seine Nachkommen und trat als Laienbruder in das Stift auf dem Petersberg ein, wo er kurz darauf starb.

Karte der Ausbreitung der Mark Meißen im 12. Jahrhundert (modifiziert nach K. Blaschke)

 

Standbild Ottos in Freiberg

Sein Sohn Otto, den man später „den Reichen“ nennen sollte, war nun von 1156 bis 1190 Markgraf von Meißen. In seiner Regierungszeit ließ er Siedler in großer Zahl werben und förderte so den Landesausbau im heutigen sächsischen Raum. Was die deutschen Könige, Herzöge, Markgrafen und Ritter mit der Eroberung des Sorbenlandes begonnen hatten, setzten deutsche Bauern vor allem zwischen 1150 und 1250 mit friedlichen Mitteln fort – mit ihrer Hände Arbeit. Vom Nordwesten kamen Sachsen und Flamen ins Land, vom Westen Thüringer und vom Südwesten Franken. Die Frage, wie viele Menschen in unser Land im Laufe der Zeit einwanderten, lässt sich nur ungefähr abschätzen. Man kann mit einiger Sicherheit annehmen, dass um 1300 etwa vierhunderttausend Menschen im meißnisch-sächsischen Raum lebten. Das bedeutet, dass sich von 1100 bis 1300 die Zahl der Einwohner verzehnfachte, denn um 1100 lebten nur etwa vierzigtausend Sorben in den alten Offenlandschaften. Um 1300 liegt der Anteil der Sorben bei etwa achzigtausend und der der Deutschen bei dreihundertzwanzigtausend Siedlern.

Rekonstruktionsversuch der Bebauung des Burgberges von Meißen mit dem ersten romanischen Dom

Zwischen 1150 und 1250 wurden weite Teile des Landes gerodet und so neues Ackerland geschaffen. Das Holz verwendete man zum Bau neuer Dörfer und Kirchen. Die Zahl der Dörfer stieg in jener Zeit auf etwa viertausend an; zugleich entstanden die wichtigsten Städte. Die Herrschaftsgebiete des Adels wuchsen durch die Rodungstätigkeit der Bauern beträchtlich. Um die teilweise recht schwierigen Böden der Rodungsflächen als Ackerland nutzen zu können, waren landwirtschaftliche Neuerung nötig, die die Siedler mit ins Land brachten. Der schwere eiserne Räderpflug mit Schar und Streichbrett, gezogen von Pferden anstatt von Ochsen, machte die Nutzung lehmiger Böden erst möglich. Die Einführung der Dreifelderwirtschaft für Sommergetreide, Wintergetreide und Brachland als Weidefläche für das Vieh führte zu einer beträchtlichen Steigerung landwirtschaftlicher Erträge. Das war eine zwingende Voraussetzung dafür, auch die ständig wachsende Stadtbevölkerung mitzuversorgen.

 

Siegel Ottos des Reichen
Siegel Ottos des Reichen, 6.Juni 1185

Markgraf Otto war mit Hedwig von Ballenstedt verheiratet, der Tochter Albrechts des Bären, des Markgrafen von Brandenburg. Er gründete 1162 das Kloster Altzella und förderte das Städtewesen. Um 1168 wurden in einem der neuen Siedlungsdörfer, in Christiansdorf, reiche Silbererzvorkommen entdeckt. Otto verkündet das „freie Bergrecht“, um kundige Bergleute und Schmelzer ins Land zu holen. Rasch wuchs aus dem entlegenen Weiler Christiansdorf eine Stadt – Freiberg. Der Silberbergbau trug dem Markgrafen den Beinamen „der Reiche“ ein. Von dem Ertrag der Erzgruben konnte er auch Weißenfels und andere Güter in Thüringen käuflich erwerben.

Grabplatten Ottos und Hedwigs in Altzella


Als Otto 1190 starb, wurde er in Altzella beigesetzt. Sein ältester Sohn Albrecht der Stolze wurde Markgraf von Meißen, der Jüngere, Dietrich der Bedrängte, Graf von Weißenfels. Albrecht führte immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen mit seinem Bruder, mit den Böhmen, mit Bischöfen und anderen bedeutenden Personen. Als er 1195 starb, war vermutlich Gift im Spiel. Der Tod Albrechts kam Kaiser Heinrich VI. sehr gelegen. Er zog die meißnische Mark als „erledigtes Lehen“ ein, um seine eigene Macht zu steigern. Dietrich der Bedrängte ging zunächst leer aus und blieb Graf von Weißenfels.

Doch 1197 starb auch Kaiser Heinrich VI. In den Wirren des Streites um den deutschen Thron kehrte Dietrich aus dem Heiligen Land zurück, wo er am Dritten und auch am Deutschen Kreuzzug teilgenommen hatte, und eroberte die Mark Meißen im Handstreich. Die Doppelwahl von 1198 – von verschiedenen Gruppen und an verschiedenen Orten werden sowohl der Staufer Philipp von Schwaben als auch sein Gegenspieler, der Welfe Otto IV. von Braunschweig, zum König gewählt – führte zu jahrelangen Streitigkeiten um den Thron. Dietrich stellt sich von Anfang an auf die Seite Philipps und wird von ihm offiziell als Markgraf von Meißen bestätigt.

Text: rj

Quellen:

Siegel: „Die Siegel der Wettiner bis 1324 und der Landgrafen von Thüringen bis 1247“, Dr.Otto Posse, Giesecke &Devrient, Leipzig, 1888