Nun hat mein Bliaut seine Premiere auf der Felsenbühne bereits gehabt, aber ich will euch natürlich nicht vorenthalten, wie aus dem Schnittmuster nun der Bliaut wird.

Das Zuschneiden

Beim Zuschnitt sind als erstes die großen Schnittteile für das Vorder- und Rückteil dran. Ich platziere beide mit genug Abstand für die Nahtzugabe zueinander auf dem Stoff und orientiere mich dabei an der Webkante des Stoffes. Die Seitenkeile messe ich mit Hilfe des kleinen „Maßstabskeils“ direkt auf dem Stoff aus. Da mein Stoff keine Strichrichtung hat, kann ich diese einmal richtig herum und einmal auf dem Kopf stehend aufzeichnen. Die Ärmel bereiten mir für einen stoffsparenden Zuschnitt einiges Kopfzerbrechen, schlussendlich entscheide ich mich dafür, diese in Längsrichtung des Stoffes aufzulegen und auch hier wieder einen Ärmel richtig herum und einen auf dem Kopf stehend. Damit verbrauche ich für meine Größe 2,3 m Stoff, die Reste, die z.B. über dem Vorder- und Rückteil oder zwischen den Ärmelschnitteilen übrig bleiben, reichen für die Ärmelkeile und die Belege.

Aufzeichnen von Vorder- und Rückteil, die Webkante nutze ich als Orientierung.
Aufzeichnen von Vorder- und Rückteil, die Webkante nutze ich als Orientierung.
Die Seitenkeile konstruiere ich direkt auf dem Stoff.
Die Seitenkeile konstruiere ich direkt auf dem Stoff.
Der Zuschnitt der Ärmel, so platzsparend wie möglich.
Der Zuschnitt der Ärmel, so platzsparend wie möglich.
Die Ärmelkeile, die drei Striche auf der Linie markieren die Seite, mit der ich sie als erstes an den Ärmel annähe.
Die Ärmelkeile, die drei Striche auf der Linie markieren die Seite, mit der ich sie als erstes an den Ärmel annähe.

Grundsätzliches beim Nähen

Weiter geht es mit dem Nähen. Da mir das farblich passende Leinengarn zu grob für den feinen Wollstoff ist, Wolle in der nötigen Feinheit schwer zu bekommen ist und ich noch nie mit Seidengarn genäht habe, weiche ich auf ein modernes Nähgarn in passender Farbe aus und verzichte so weit wie möglich auf sichtbare Nähte. Dazu kommt, dass Leinen(garn) mit im Hochmittelalter verfügbaren Färbemitteln kaum so dunkel gefärbt werden konnte wie mein Stoff ist, beim Nähen hätte man also mit hoher Wahrscheinlichkeit einen andersfarbigen Leinenfaden verwendet.

Zum Nähen verwende ich grundsätzlich einen sehr kleinen Rückstich zum Verbinden der Stoffteile und versäubere meine Nähte, in dem ich eine Seite einkürze und entweder die andere Seite umgeschlagen darüberlege und mit kleinen Überwendlichstichen auf dem Stoff fixiere oder bei gebogenen Nähten die längere Seite eingeschlagen über die kürzere Seite lege und auf der Nahtzugabe mit kleinen Überwendlichstichen fixiere (entspricht einer einfachen Kappnaht). Bei Belegen schlage ich ebenfalls die Aussenkante ein und fixiere dies auf dem Stoff. Damit habe ich später keinerlei Schnittkanten im Kleid offen, die ausfransen könnten. Würde mein Wollstoff nicht oder nur sehr wenig ausfransen, würde ich die Nahtzugaben und Belege ohne umschlagen fixieren.

Verbindungsnaht mit Rückstich, die Nahtzugabe wird eingeschlagen und auf dem Stoff festgenäht.
Verbindungsnaht mit Rückstich, die Nahtzugabe wird eingeschlagen und auf dem Stoff festgenäht.
Verbindungsnaht mit Rückstich, die Nahtzugabe wird eingeschlagen und auf sich selbst festgenäht.
Verbindungsnaht mit Rückstich, die Nahtzugabe wird eingeschlagen und auf sich selbst festgenäht.

Die ersten Nähte

Beim Zusammennähen kümmere ich mich als erstes um die Keile und die Schulternaht, d.h. ich nähe jeweils einen Seitenkeil an das Vorder- und das Rückteil an sowie die Ärmelkeile an die Ärmel und schließe die Schulternähte. Die Ärmelkeilnähte und die Schulternähte versäubere ich gleich, die Seitenkeilnaht lasse ich noch wie sie ist, da ich später die Naht direkt über dem Seitenkeil noch auf etwa 1 cm schließen werden.

Die Ärmelkeile sind an den Ärmeln festgenäht, die Seitenkeile einseitig an Vorder- und Rückteil.
Die Ärmelkeile sind an den Ärmeln festgenäht, die Seitenkeile einseitig an Vorder- und Rückteil.

Habe ich die Ärmelkeile an die jeweils richtige Seite der Ärmel genäht (diesmal habe ich es beim ersten Versuch geschafft, aber das ist nicht immer so), setze ich die Ärmel ein und versäubere auch diese Naht sofort.

Schulternaht und Ärmelansatznaht, beide versäubert.
Schulternaht und Ärmelansatznaht, beide versäubert.

Der Halsausschnitt

Da mir der Halsausschnitt schon beim Schnittmuster erstellen Kopfzerbrechen bereitet hat, kommt dieser als nächstes dran. Normalerweise ist der Halsausschnitt einer der letzten Schritte, wenn ich ein Kleid nähe, aber da ich beim Bliaut den Hals ohne Schlitz im vorderen Ausschnitt nähen muss, ziehe ich diesmal diesen Schritt nach vorne. Wird der Halsausschnitt doch zu eng, kann ich ohne geschlossenen Seitenähte besser korrigieren, ist er zu weit, steckt noch nicht zu viel Arbeit drin, um ggf. noch einen Versuch zu starten. Nach dem Annähen der Belege vorne und hinten und dem Umheften nach innen kann ich aber feststellen, dass ich zwar knapp, aber einigermaßen gut den Kopf durch den Halsausschnitt bekomme. Nach dem Versäubern und Bügeln des Beleges kann ich mir den Bliaut ein erstes Mal überwerfen.

Die Seitennähte und Taillenschlitze

Als nächstes schließe ich die Seitennähte, d.h. die Ärmelnähte bis 1 cm unter der Achsel und die zweite Seite der Seitenkeile. Nachdem die Naht auch bis über den Seitenkeilen geschlossen ist, kann ich die Ärmelnähte und die Nähte der Seitenkeile versäubern.

Die erste Seite ist geschlossen, hier die Innenansicht.
Die erste Seite ist geschlossen, hier die Innenansicht.
Die linke Seite ist bereits geschlossen.
Die linke Seite ist bereits geschlossen.

Nun sind noch die Belege an den Taillenschlitzen zu nähen. Diese nähe ich einzeln von aussen an und und klappe sie dann nach innen. Den Beleg habe ich zusätzlich viermal aus Leinen ohne Nahtzugabe zugeschnitten. Diese Streifen kommen nun zwischen Kleidinnenseite und Beleg. Sie übernehmen die Funktion der modernen Bügeleinlage, damit die Nestellöcher, die später hierhin kommen, nicht ausleiern. Mit dem Versäubern der Belege versäubere ich gleichzeitig die kurzen Nähte über den Seitenkeilen und unter den Achseln.

Der Taillenschlitz, als erstes werden die Belege von aussen angenäht.
Der Taillenschlitz, als erstes werden die Belege von aussen angenäht.
Der Taillenschlitz, die Belege werden nach innen umgeklappt, ein Stück Leinen dient als Einlage.
Der Taillenschlitz, die Belege werden nach innen umgeklappt, ein Stück Leinen dient als Einlage.

Bügeln, Säumen, Bügeln

Jetzt ist wieder Bügeln dran. Ich befeuchte alle Nähte gut und bügle sie mit viel Druck und unter einem Tuch. Dadurch setzen sich die Nähte und liegen schön flach, von aussen fallen sie dadurch weniger auf. Jetzt kann ich den Bliaut anziehen und die Säume an den Ärmeln und am Boden abstecken (lassen).

Jetzt fehlen noch die Ärmelsäume, der untere Saum und die Nestellöcher.
Jetzt fehlen noch die Ärmelsäume, der untere Saum und die Nestellöcher.

Den unteren Saum nähe ich etwa 2 cm kürzer als eigentlich üblich, schneide aber nichts weg sondern lasse ihn so breit wie möglich. Auf der Felsenbühne laufe ich damit weniger Gefahr, mir den Staub in den Saum zu ziehen, nach der Theatersaison werde ich mir den Saum dann entsprechend verlängern. Auch die Säume werden wieder gut gebügelt.

Die Taillenschlitze

Nun sind noch die Nestellöchern in den Taillenschlitzen dran. Ich verteile pro Seite eines Taillenschlitzes 7 Löcher, wobei ich den Abstand des obersten und des untersten Loches nach oben bzw. nach unten etwas kürzer wähle als den Abstand der Löcher zueinandern. Dann heißt es 28 Löcher stanzen und nähen. Nach dem Stanzen sichere ich das Loch zuerst mit einer Runde Überwendlichstichen, damit sind die drei Lagen Wolle-Leinen-Wolle aufeinander fixiert und das Loch hat bereits seine spätere Form. Dann umnähe ich das Loch mit engen Schlingstichen.

Mit Stecknadeln markiere ich die Position der Nestellöcher.
Mit Stecknadeln markiere ich die Position der Nestellöcher.
Erst mit Überwendlichstich die Form fixieren, dann mit Schlingstich sichern.
Erst mit Überwendlichstich die Form fixieren, dann mit Schlingstich sichern.

Alternativ hätte ich die Löcher auch mit einer Ahle oder einem Esspfriem „bohren“ können, hiermit habe ich aber noch keine Erfahrung.

Nun brauche ich noch zweimal etwa 90 cm Band für die Schnürung. Hier verwende ich nun das Leinengarn und loope mit 5 Schlaufen ein rundes Band. Die Enden versteife ich mit ein wenig Kerzenwachs, das erleichtert das Einfädeln. Nach dem Einfädeln von oben nach unten kann ich meinen Bliaut das erste mal schnüren. Ergänzt mit Gürtel, Almosenbeutel, Schleier und Schapel bin ich nun „bühnentauglich“ ausgerüstet.

Der fertige Bliaut.
Der fertige Bliaut.

Bilanz und was noch zu tun ist

Insgesamt stecken nun 52 Stunden Arbeit im Bliaut, davon 44 Stunden Handnähzeit und 2 Stunden Bügeln. Wenn die Theatersaison vorbei ist und auch die Lagersaison zur Ruhe kommt, werde ich noch folgendes anpassen bzw. ergänzen:

  • unteren Saum um 2 cm auslassen
  • die Ärmel mit kontrastfarbigem (orange?) Leinen füttern
  • Ärmelsäume und Halsausschnitt mit Stickerei versehen, dazu werde ich wahrscheinlich die Stickerei erst auf dem kontrastfarbigem Leinen ausführen und dieses dann als Blende aufnähen
  • ggf. neue Bänder für die Schnürung in der Farbe des Leinen

Text und Bilder: DB