Ostern steht vor der Tür und wir wünschen euch ein frohes und gesegnetes Osterfest. Aber was bedeutete Ostern im Mittelalter? Dazu wollen wir euch im folgenden ein paar Informationen aus dem Blickwinkel unseres Boriwo de Tarant geben.

Was wird Ostern gefeiert?

Das Osterfest ist die zentrale Feier der Kirche. In der Karwoche – und ganz besonders Karfreitag und in der Osternacht – von Samstag auf Sonntag – wird des Leidens und Todes Jesu, seiner Kreuzigung und anschließenden Auferstehung gedacht.

Christen glauben an Jesus als Sohn Gottes, welcher durch Leiden und Tod die Sünden der Menschen auf sich nahm, alle Menschen so erlöst, ihnen Sündenvergebung und ewiges Leben ermöglicht hat.

Es ist ein dramatisches Geschehen, an welches alljährlich erinnert wird: Zuerst zieht Jesus königsgleich in Jerusalem ein, seine Jünger und das Volk jubeln ihm zu – viele halten ihn für den Messias, welcher das jüdische Volk erlösen soll. Dann aber eskaliert die Konfrontation mit der jüdischen Priesterelite und diese erzwingt seine Hinrichtung durch die römischen Besatzer.

Mit seinen Jüngern feiert er ein letztes Abendmahl und stiftet damit die Kommunion, welche die christliche Kirche bis heute feiert. Im Christentum ist darüber hinaus der Glaube an Jesus als Gottessohn und seine Auferstehung von den Toten in der Nacht zum Ostersonntag existentiell.

Was bedeutete Ostern im 13. Jahrhundert?

Friedenspflicht

Seit dem 11. Jahrhundert galt die Treuga Dei – ein Fehdeverbot in der heiligen Zeit. Dies betraf u.a. die Fastenzeiten, die Zeit von Advent bis Ephiphanias, die Festtage von Heiligen und weitere, somit also die österliche Fastenzeit und das gesamte Osterfest. Neben diesen kirchlichen Festtagen galt die Waffenruhe aber auch für ganz normale Wochentage beispielsweise Donnerstag bis Sonntag.

Fasten

Die Kirche des Mittelalters kannte etwa 50 vorgeschriebene Festtage, ebenso wie Fastenzeiten. Entsprechend der Bedeutung des Osterfestes gibt es davor auch die längste der Fastenzeiten – von Aschermittwoch bis Gründonnerstag … 40 Tage, da die Sonntage nicht gefastet wird, sondern jeden Sonntag auch die Auferstehung gefeiert wird. Karfreitag und -samstag werden nicht zur österlichen Bußzeit gezählt – sie sind extra Fasttage vor dem Hochfest der Auferstehung in der Osternacht.

Mittelalterliche Fastenvorschriften erlaubten nur eine Mahlzeit täglich, verboten waren Fleisch und Eier – als „flüssiges Fleisch“ und Milchprodukte. Übrig blieben damit Getreide, Obst und Gemüse.

Für die armen Bevölkerungsschichten mag das gar nicht so hart gewesen sein wie für den Adel. Betreffs der Milchprodukte konnte man allerdings damals Suspens (Ausnahmegenehmigung) – sogenannte „Butterbriefe“ – käuflich erwerben, bis Papst Innozenz VIII. 1486 das Verbot der Milchprodukte aufhob.

Liturgie

„Bei der Messe als dem selbstverständlichen und immer höher gewerteten Mittelpunkt der Liturgie standen Gegenwart Christi und der Opfercharakter im Mittelpunkt, die verkündende Seite verkümmerte. Als im 13. Jahrhundert die Erhebung der Hostie und bald auch des Kelches aufkam und rasch allgemein wurde, bildete sie einen einsam herausragenden Höhepunkt. Man konnte daher die Mitfeier auf das Emporblicken bei der Wandlung beschränken.“ (1, § 99)

Kreuzigung und Auferstehung

Dieses Bild stammt aus dem Hortus Deliciarum und stellt die Kreuzigung Christi und damit einen Kernpunkt des Osterfestes dar. Geschaffen hat es Herrad von Landsberg (1125-1195), Äbtissin auf dem Odilienberg im Elsass. Das Buch wird auf etwa 1180 geschätzt.

Die Kreuzigung Jesu Christi im Hortus Deliciarum
Die Kreuzigung Jesu Christi im Hortus Deliciarum

Im Zentrum des Bildes sehen wir den Gekreuzigten Jesus aus Nazareth – Christus (was soviel wie „der Gesalbte“ bedeutet). Typisch für die Zeit sind seine Füße noch – anders als in moderneren Darstellungen – getrennt angenagelt. Im Bildhintergrund folgt die Künstlerin ganz der schriftlichen Überlieferung. Außen die zwei Verbrecher, welche zusammen mit Jesus gekreuzigt wurden. Der rechte Verurteilte schaut Jesus an – es ist wohl derjenige, welcher sagte „Wenn du in dein Reich kommst, denke an mich!“ Worauf ihm Jesus geantwortet haben soll, dass er noch heute das Paradies schauen werde. Dieser reuige Verbrecher hatte noch den anderen, welcher sich demonstrativ vom Geschehen abwendet, gerügt, als dieser Jesus verspottete. Er hielt dem entgegen, dass sie beide ihre Strafe zu Recht erhielten, Jesus aber völlig schuldlos sei.

Die Antwort Jesu wird so gedeutet, dass reuigen Sünder immer die Gnade Gottes zuteilwerden kann – hier der Verbrecher die Verheißung des Paradieses erhält.

Direkt neben Jesus stehen 4 Personen, welche auch alle explizit in der Bibel genannt werden: außen links Maria aus Magdala und rechts der Jünger Johannes – beide am Nimbus (Heiligenschein) zu erkennen. Sie sind Jesu Gefährten, welche – anders als die meisten anderen, allen voran Petrus – Jesu auf seinem letzten Weg begleitet haben und das Geschehen bezeugen. Maria Magdalena soll am Ostermorgen noch wichtiger werden, auch wenn das gern vergessen wird.

Links neben Jesus steht der römische Hauptmann, kenntlich am roten Umhang (vergleiche den Heiligen Martin, welcher diesen Mantel mit dem Bettler teilen wird). Er hält die Lanze, mit welcher Jesu Seite durchbohrt wurde, um den Tod zweifelsfrei festzustellen. Diese Lanze ist später die berühmte Reliquie „Heilige Lanze“ – welche Kaiser Otto gegen die Hunnen dabeigehabt haben soll.

Hier ist allerdings erst einmal der Hauptmann, welcher – selbst noch Heide – bekennen soll: „Wahrlich, dieser Mann (Jesus) war ein Gerechter!“

Rechts vom Gekreuzigten steht eine Person, offenbar männlich, bekleidet mit schmuckvoll verziertem Gewand, wie es byzantinischer Mode entsprach und so auch typisch für den Adel des 12. Jahrhunderts in Mitteleuropa war. Er trägt einen Eimer und reicht Jesus mittels eines Schwammes auf einem Stock – die Schrift sagt „Ysopzweig“ – noch eine letzte Erfrischung.

Das waren die am Geschehen direkt Beteiligten. Die anderen Figuren des Bildes sind symbolisch zu verstehen.

Doch erst noch zum oberen Bildrand. Die Schrift überliefert, dass der Vorhang im Tempel – gemeint ist das zentrale Heiligtum der Juden – der Tempel Salomons (Ja – jener, der dem Templerorden den Namen geben wird …) – mitten entzwei riss. Die Künstlerin lässt hier den Vorhang gleich mehrfach reißen. Sonne und Mond – ganz in byzantinischer Art dargestellt – schauen traurig auf das Geschehen. Es soll der Überlieferung nach auch eine dreistündige Finsternis gegeben haben.

Über Jesu Kopf noch die Tafel – seine Schuld angebend. Hier auch bei höchster Auflösung unleserlich – jedoch ist bekannt, dass darauf „J esus aus N azaret R ex (der) J uden … INRI gestanden haben soll.

Die Tafel war wohl eine Rache des römischen Statthalters Pontius Pilatus an den führenden Geistlichen der Juden, welche ihn raffiniert dazu gezwungen hatten, Jesus hinrichten zu lassen, obwohl er ihn selbst für unschuldig hielt. Die jüdischen Priester hatten noch gefordert, er solle eindeutig schreiben, Jesus habe NUR behauptet, der König zu sein … worauf Pilatus geantwortet haben soll: „Was ich geschrieben habe, das bleibt geschrieben.“

Nun wird es symbolisch. Zuerst sieht man unten die Toten auferstehen – die wichtige Botschaft des Ostermorgens – Jesus selbst ersteht auf und ermöglicht das damit auch allen Menschen – ist hier vorweggenommen.

Am wichtigsten scheinen der Künstlerin jedoch die beiden Figuren auf den Reittieren. Sie ergänzen die wichtige Interpretation des Geschehens zur Entstehungszeit des Bildes.

Links sehen wir Ecclesia – die christliche Kirche. Sie fängt im Kelch das Blut Christi auf und bewahrt so sein Vermächtnis. Einmal ganz abgesehen von allen mystischen und abergläubigen Vorstellungen, welche sich um dieses Blut und das Gefäß – den heiligen Gral – ranken.

Die Kirche hält des Banner Christi hoch. Sein Tatzenkreuz ist das frühe Zeichen der Kirche, die Fahne ist in den unteren zwei Dritteln geteilt und sieht damit aus wie die Stola eines Priesters. Auf der rechten Bildseite fällt dieses Banner – das Vermächtnis Jesu – in den Staub, wird nicht aufgenommen.

Die rechte Reiterin symbolisiert das Judentum, es ist Synagoge. Ihr Blick ist verdeckt durch die Kapuze – so wie das Judentum bis in die Neuzeit als „blind“ für die Offenbarung verurteilt wurde. (Das hat sich in der lateinischen Kirche tatsächlich erst mit dem 2. Vatikanischen Konzil 1962-65 geändert, als der Anspruch die „allein richtige Lehre“ zu vertreten – im Gegensatz zu Juden und reformierten Kirchen – offiziell fallengelassen wurde.) Synagoge hält statt der Fahne das Messer zum Schlachten des Lammes auf ihrem Schoß.

Das Ostergeschehen fand ja tatsächlich zum Pessachfest der Juden statt – an dem die Lämmer geschlachtet werden – zur Erinnerung an das Schlachten in Ägypten, welches die jüdischen Erstgeborenen vor dem Tod bewahrte (genauer nachzulesen in Exodus).

Nun sieht das Christentum jedoch Jesus als „Lamm Gottes“ (agnus dei) – das finale Opfer, das sich selbst darbringt und damit für alle Zukunft die Schlachtopfer für Gott beendet.

Die Reittiere sind somit auch nicht mehr verwunderlich – Synagoge bekommt den Esel, dessen Symbolik wohl allgemein bekannt sein sollte. Dieser schaut verwundert auf die Fallstricke zu seinen Füßen – doch das wird wohl nichts nützen.

Das Fabelwesen der Ecclesia setzt sich zusammen aus den Symbolen der vier Evangelisten – den Schreibern der vier Evangelien, welche uns vom Leben und Wirken Jesu berichten. Diese sind Mensch/Engel (Matthäus), Löwe (Markus), Stier (Lukas) und Adler (Johannes) – entsprechend sind auch die vier Füße des Tieres.

Wir sehen hier also ein Bild vor uns, welches sowohl das Leiden – speziell den Tod am Kreuz des Jesus von Nazaret darstellt, als auch sein heilbringendes Wirken von Sündenvergebung und Auferstehung für alle Menschen. Außerdem ist es eine klare theologisch-politische Ansage – eine Verurteilung des jüdischen Glaubens. Ein Bildnis, an seine Zeit gebunden – eine wunderbare Quelle für unsere Darstellung (nicht nur kleidungstechnisch …) und wunderbar passend für Ostern.

Quellen:
(1) Lenzenweger et al. (Hg.): Geschichte der Katholischen Kirche. 1999 Graz
(2) Logan: Geschichte der Kirche im Mittelalter. 2005 Darmstadt
Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hortus_Deliciarum,_Die_Kreuzigung_Jesu_Christi.JPG (Bild ist gemeinfrei)

Text: KK